Sonntag, 19. Oktober 2014
221
Wir waren drei Mal zusammen weggegangen. Kino, Essen, Essen. Und wir hatten uns geküsst. Als er mich das erste Mal besuchte, sass ich auf meinem Bett. Er auf meinem Stuhl. Wir hörten Musik. Unterhielten uns darüber, wie dieses oder jenes Lied dem Anderen gefiel. Eigentlich sollte Musik ja verbinden. Doch sie schaffte Distanz. Distanz zwischen Bett und Stuhl. Ich wechselte den Sender. Die Distanz blieb. Ich merkte, wie ich langsam unruhig wurde.
"Warum bist du eigentlich hier?" fragte ich ihn. Und meinte eigentlich "Warum vögeln wir nicht schon längst miteinander." Ich fand es an der Zeit.
"Ich mag dich, irgendwie."
Dieses 'irgendwie' liess den Satz wie eine Seifenblase platzen. Und mit ihm meine Gefühle für ihn. Irgendwie.
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220
Ab fünf heute morgen ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich liege im Bett, wälze mich von links nach rechts und zurück. Ich weiss nicht, was mich davon abhält, aber es geht nicht mehr. Kurz vor sechs gebe ich auf. Körper, wenn du mich quälst, quäle ich dich. Die Jogginghose und das Shirt von gestern. Nach 10 Metern bereue ich es. Es ist nicht kalt, aber dunkel. Und es nieselt. Musik habe ich auch nicht dabei. Dafür ist es still. Keine Vögel. Nur das Geräusch wenn ich in eine Wasserlache trete. Und davon gibt es viele. Der Gedanke an die heisse Dusche danach treibt mich voran. Und es kommt mir leichter vor. Im Dunkeln ist die nächste Kurve, der Anstieg nicht zu sehen. Als ich dann endlich keuchend wieder vor der Gartentür stehe hält hinter mir ein Auto. Die Bäckerei. Ich versuche den Schlüssel ins Schloss zu fummeln. "Respekt. So sportlich am Morgen." Ich zucke zusammen. Die Stimme ist männlich und trifft mitten...fuck. Ich richte mich auf und drehe mich um. Scheisse. Ich weiss, wie ich aussehe. Die Hose nass, das Shirt klebt an mir, die Haare hängen mir ins Gesicht. Und der Typ mustert mich unverschämt langsam von unten bis oben. Ich spüre seine Augen auf mir. Spüre wie er mich langsam auszieht. Er lässt sich Zeit. Anna, von dem würdest du dich doch gerne..."Bist du fertig?" Er grinst und hält mir die Tüte mit den Brötchen entgegen. "Nö, aber jetzt weiss ich, weshalb ich so früh aufstehe." Dreht sich um, steigt in das Auto und weg ist er.
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Freitag, 17. Oktober 2014
219
Heute mal wieder neben Z. im Unterricht. Sie sieht nicht gut aus. Und die Schminke hatte keine Chance gegen ihre verheulten Augen. Es war ein aussichtsloser Kampf. Ich kann mir denken was die Ursache ist, sage aber nichts. Muss ich auch nicht. Die nächsten zwei Stunden enthüllt sich mir dann ein Drama ungeahnten Ausmasses. Eine Tragödie, die ihresgleichen sucht. Für Z. Wie immer. Ich spende Trost und Tempos. Und ich könnte dir auch sagen was du immer wieder falsch machst. Aber irgendwann wirst du das vielleicht auch selbst verstehen. Vielleicht. Dann könnte es mit den Jungs auch mal länger als ein oder zwei Wochen klappen.
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Donnerstag, 16. Oktober 2014
218
Die Zeit würde es schon richten. So dachte ich. Weit weg von meiner Jugend. Von den Freunden. Von den gemeinsamen Erlebnissen. Die Zeit und die Entfernung. Da ist es auch nicht weit weg vom Vergessen. Dachte ich. Was ich nicht bedachte ist die Hartnäckigkeit. Mit der ihr euch mir ins Gedächtnis drängt. Immer wieder. Ganz hinten vergraben. Aber bei jeder nur möglichen Gelegenheit schnellt euer Arm nach oben. Schnippt ihr mit dem Finger und fordert Aufmerksamkeit. Ich kann euch ignorieren. Aber nicht lange. Weil ihr zu laut werdet. Und zu Wort kommen wollt. Und alles andere übertönt.
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